Über den Sinn von Zecken

Ich mag Zecken nicht: Sie sind eklig, krabbeln, beißen sich fest, saugen sich mit unserem Blut voll und verbreiten Krankheiten. Allgemein wird da schnell die Frage gestellt, welchen Sinn diese Viecher überhaupt haben.  Komischerweise hat einer hübsch blühenden Pflanze oder einem niedlichen Tierchen wahrscheinlich noch niemand die Existenzberechtigung abgesprochen.

Zecken sind ein integraler Bestandteil des Ökosystems. Sie dienen als Nahrung für eine Vielzahl von Tieren wie Vögeln, Amphibien und Insekten. Darüber hinaus tragen sie zur Regulierung von Wildtierpopulationen bei, indem sie Krankheitserreger verbreiten, die vor allem geschwächte oder überproportional wachsende Tiergruppen betreffen. Dieser Mechanismus, so grausam er aus menschlicher Sicht erscheinen mag, sorgt langfristig für ein stabiles Gleichgewicht innerhalb der Natur.

Ein weiteres Beispiel für vermeintlich „überflüssige“ Plagegeister sind Stechmücken. Ihre Larven dienen als wichtige Nahrungsquelle für Fische, Frösche und Libellen. Ohne sie würde das Ökosystem vieler Feuchtgebiete zusammenbrechen. Selbst Wespen, die oft als aggressive Störenfriede wahrgenommen werden, spielen eine entscheidende Rolle bei der Bestäubung und der Regulation von Schädlingspopulationen.

Die Natur funktioniert nach dem Prinzip der Vernetzung. Jede Art – sei sie noch so unscheinbar oder unangenehm – nimmt eine spezifische Rolle ein. Das Entfernen einer Art kann eine Kettenreaktion auslösen, die das gesamte Gleichgewicht des Ökosystems gefährdet. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass die Abnahme der Artenvielfalt zu einer Schwächung der Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen gegenüber Umweltveränderungen führt.

Die Einteilung von Arten in „nützlich“ und „nutzlos“ ist eine zutiefst subjektive menschliche Konstruktion, die mit der Funktion der Arten im Ökosystem rein gar nichts zu tun hat. Beispielsweise können auch Blütenpflanzen, die mit ihren Farben und Formen unsere Sinne erfreuen, ökologisch richtig problematisch sein, wenn sie invasiv sind, sich stark ausbreiten und andere heimische Arten verdrängen. Statt uns also von Vorurteilen leiten zu lassen, sollten wir uns bemühen, die Rolle jeder Art im Ökosystem zu verstehen und zu schätzen. Selbst Zecken, die in unseren Augen lästig sein mögen, sind ein wichtiger Bestandteil dieses großen Ganzen. Nur durch ein ganzheitliches Verständnis der Natur können wir ihre Vielfalt bewahren – und damit letztlich auch unsere eigene Lebensgrundlage sichern.

Zu guter Letzt könnten wir die Sache auch einmal umdrehen. Wie würden wohl die vielen Arten, deren Existenz durch uns Menschen bedroht ist, über die Existenzberechtigung von uns Menschen denken?