Ein Plädoyer für die Stille

Unsere Welt ist ganz schön laut geworden. Überall Geräusche: Verkehrslärm, Stimmen, Musik, Klingeltöne, Werbespots, das Piepen von Geräten – ständig passiert etwas, ständig will irgendetwas unsere Aufmerksamkeit. Der Lärm ist zum ständigen Begleiter geworden, fast wie ein Grundrauschen, das wir gar nicht mehr richtig wahrnehmen.

Dabei ist dieser Lärm kein harmloser Nebeneffekt unseres modernen Lebens – er ist ein echter Stressfaktor. Und zwar einer, der uns oft gar nicht bewusst ist.

Wir haben uns an diesen hohen Geräuschpegel gewöhnt. Er fühlt sich „normal“ an, einfach weil wir ihn ständig um uns haben. Erst wenn er mal weg ist – zum Beispiel, wenn man allein früh morgens im Wald steht oder an einem abgelegenen See – merkt man, wie laut es eigentlich sonst überall ist. Und wie selten echte Stille geworden ist.

Das Tückische: Auch wenn wir meinen, den Lärm ausblenden zu können, wirkt er trotzdem auf uns. Unser Körper ist ständig in Bereitschaft – das stresst, auch wenn wir es nicht direkt merken. Lärm kann den Schlaf stören, die Konzentration rauben, uns innerlich unruhig machen. Kein Wunder, dass wir oft so erschöpft sind – selbst dann, wenn wir „gar nichts Besonderes“ gemacht haben.

Und weil wir die Stille verlernt haben, suchen wir immer neue Reize: noch ein Song, noch ein Video, noch ein Gespräch. Hauptsache, es bleibt etwas in Bewegung. Stillsein? Für viele fühlt sich das fast unangenehm an.

Aber genau da liegt vielleicht der Schlüssel. Denn Stille ist mehr als die Abwesenheit von Lärm. Sie ist ein Raum, in dem leise Dinge erst wahrnehmbar werden: das leise Rascheln der Blätter, der Wind in den Bäumen, die Stimmen der Natur – und die eigene innere Stimme.

Viele Menschen fühlen sich getrieben, leer oder überfordert. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir kaum noch Zeit haben, einfach mal bei uns selbst anzukommen. Denn das, was wir wirklich fühlen, was uns bewegt oder was wir brauchen – all das ist oft ganz leise. Und genau deshalb brauchen wir Stille, um es überhaupt wahrnehmen zu können.

Wir müssen nicht gleich ins Kloster ziehen. Aber ein bisschen mehr Stille im Alltag kann Wunder wirken. Ein Spaziergang ohne Kopfhörer. Ein Morgen ohne Nachrichten. Einfach mal nur dasitzen, die Natur bewusst wahrnehmen – und nichts tun. Kein Lärm, keine Ablenkung.

Die Welt wird von allein nicht leiser. Aber wir können bewusster mit dem umgehen, was uns umgibt – und was wir zulassen. Wer sich traut, der Stille wieder Raum zu geben, wird anfangs vielleicht unruhig. Aber mit der Zeit kehrt etwas zurück, das viele vermissen: innere Ruhe. Klarheit. Und die leise, zarte Stimme in uns selbst, die im ganzen Trubel viel zu lange nicht gehört wurde.